Wer heute als Fremder nach Armenien kommt, vor allem in die Hauptstadt Jerewan (Eriwan), kann es nicht glauben, in welchem Zustand diese Bevölkerung noch vor 15 Jahren gelebt hat.
Die Innenstadt pulsiert, sie ist bis tief in die Nacht hell erleuchtet und die Einwohner genießen ihre Stadt. Die Straßen wurden vor 3-4 Jahren neu gerichtet. Wer das Geld hat, kann sich jetzt eine Heizung leisten. Aber die Wohnungen im Zentrum sind teuer geworden. Das Altstadt-Zentrum wurde in den letzten Jahren abgerissen und eine „moderne“ Innenstadt mit imposanten Hochhäusern ist entstanden. Ein normaler Bürger kann sich aber diese Mieten nicht leisten. So stehen die meisten Wohnungen leer.
Sobald man aber nur einen Kilometer aus dem Zentrum herausfährt, erlebt man schon andere Plätze. Schlechte Wohnverhältnisse, verkommene Plattenbauten aus der Sowjetzeit, schlechte Straßen. Jeder, der die Möglichkeit hat, versucht am Straßenrand irgendetwas zu verkaufen. Sonnenblumenkerne, ein paar Blumen, ein paar Zigaretten, ein paar Kräuter. Was man eben so organisieren kann oder selbst im Garten hat. So schlecht die Plattenbauten auch sind, so sauber und gepflegt ist es oft im Inneren der Wohnungen. Die meisten Armenier haben ihre Wohnung noch aus der Sowjetzeit als Eigentum. Die Leitungen sind marode, die Stromleitungen hängen irgendwo im Freien.
Die politische Lage des Landes ist als Fremder sehr schlecht einzuschätzen. Es empfiehlt sich, keine großen Diskussionen zu entfachen, da die Einstellung des Gegenüber sehr schwer einzuschätzen ist.
In den Dörfern findet noch ein sehr ursprüngliches Leben statt. Man spürt an allen Ecken den Erfindungsreichtum der Armenier. Aus allem wird etwas gemacht, gewerkelt, gebastelt, zusammengefügt. Es ist für uns Besucher aus dem Westen fast eine wohltuende Atmosphäre, weil wir uns doch so oft nach einer Einfachheit in unserem Reichtum sehnen.
Die medizinische Versorgung ist teilweise katastrophal. Viele Armenier haben nicht das Geld, einen Arzt oder eine Therapie zu bezahlen. Daraus resultiert, dass viele Menschen oft erst in einem späten Krankheitsstadium in die Klinik kommen. Häufig ist es dann zu spät. Auch viele Infarktpatienten überleben nicht, weil die schnelle Erstversorgung nicht geleistet werden kann.
Trotz der Armut erlebt man aber immer wieder, dass die Bevölkerung mit technischen Geräten ausgestattet ist, wie wir sie manchmal nicht haben. Das resultiert daraus, dass viele Familien einen Angehörigen im Ausland haben, der für die Familie mit verdient und immer wieder Geld schickt. Für uns oft unverständlich, dass diese Dinge im Vordergrund stehen. Das ist eben auch ein Stück der armenische Mentalität. Für einen Teil der Bevölkerung, egal ob arm oder reich, sind Äußerlichkeiten wichtig.
Die Gastfreundschaft ist ungebrochen. Man unternimmt viele Anstrengungen, um dem Gast ein großzügiges Mahl zu servieren. Der Tisch ist reichlich gedeckt und man erlebt die reiche Vielfalt der armenischen Küche.